Übergewichtige Charaktere schreiben

Beim digitalen Litcamp21 habe ich eine Session zum Thema »(stark) übergewichtige Charaktere schreiben« gehalten – und dachte mir direkt, dass das doch ein guter erster Beitrag für mich für das Revival unseres Blogs wäre. Ich gehöre selbst dieser Gruppe von Menschen an, wie auch viele andere. Obwohl so viele Menschen nicht dem »Idealgewicht« entsprechen, gibt es trotzdem sehr wenig Repräsentation. Woran liegt das eigentlich?

Achtung: Für den gesamten Post gelten die CWs Fatshaming und Fatmisia, da das immer wieder aufgegriffen wird.

Marginalisierung

Ein wichtiger Teil ist natürlich, dass Übergewichtige eine marginalisierte Gruppe darstellen, die viel Diskriminierung erfährt. Schon im Alltag merkt man, dass viele Dinge nicht auf Übergewichtige ausgelegt sind und dass auch nicht gewünscht ist, dass Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln breiter oder günstige, schöne Kleidung auch in großen Größen zu einem erschwinglichen Preis erhältlich sind. Natürlich gibt es bei allem Ausnahmen und gerade im Modebereich sehe ich auch einige Verbesserung, aber viele Label stellen sich immer noch dagegen oder »verstecken« ihre (sehr) großen Größen auf ihrer Website. Oft ist auch spätestens bei Größe 48 (Frauen) komplett Schluss. Und hübsche Sachen? Wie, übergewichtige Menschen möchten andere Dinge tragen als unförmige Säcke und Zelte? [/sarcasm] Und „Plus Size Models“ sind oft einfach nur völlig normal gebaute Frauen, bei denen der Unterschied zu „normalen“ Models einfach nur sind, dass sie eben ein paar mehr Kurven haben. Richtig „Plus Size“ sind sie aber selten, oft tragen diese Models maximal Größe 44. Wenn überhaupt.

Ich könnte ewig so weiter machen. Im Gesundheitsbereich werden (auch ernste) Krankheiten oft lange übersehen, weil Ärzt*innen gerne alles aufs Übergewicht schieben. Wenn ein Star zugenommen hat, gibt es hämische Kommentare (natürlich auch bei „normalen“ Leuten, aber da bekommt es nur das engste Umfeld mit) und immer wieder bekommen Leute zu hören „dann nimm doch einfach ab“ oder „selbst Schuld, wenn du dich totfrisst“ [Zitat]

Klar, dass viele dann nicht einmal auf die Idee kommen, dass man ja auch Bücher über übergewichtige Protagonist*innen schreiben könnte – oder dass Leute, die selbst übergewichtig sind, sich nicht unbedingt trauen, weil sie Angst haben, dass das niemand lesen will. (Oder dass ihnen unterstellt wird, dass es eine Self Insert Geschichte ist, wenn den Protagonist*innen Gutes widerfährt).

Unschöne Tropes & Klischees

Es gibt diverse unschöne Tropes und Klischees, die vermieden werden sollten, z. B. „die lustige dicke Person“, „die depressive dicke Person, die unbedingt mehr als alles andere schlank sein will“, „der scheiternde Held, der zunimmt“ (Hallo Thor!), das Klischee, dass dicke Menschen generell faul und unsportlich sind, ungepflegte, dicke Personen … die Reihe kann man endlos fortsetzen. Ganz schlimm ist auch das dicke Mädchen, das unbedingt abnehmen muss, um einen Freund zu kriegen. Uff.

Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn es überhaupt dicke Repräsentation in euren Projekten gibt, aber wenn sie so aussieht wie eines der obigen Klischees, dann lasst es bitte einfach. Ganz ehrlich? Keine Repräsentation ist immer noch besser, als wenn diese problematischen Klischees und Tropes bedient werden.

Das heißt nicht, dass man nicht auch Aspekte daraus nehmen kann – aber es gibt bessere Lösungen. Dazu kommen wir als nächstes.

Wie kann man es also besser machen?

Um ein paar Beispiele zu nennen: Natürlich gibt es übergewichtige Depressive, aber wie bei anderen Depressiven ist da oft – es gibt natürlich auch hier Ausnahmen – nicht das Gewicht oder die Figur das Hauptproblem, sondern es liegen oft ganz andere Dinge im Argen (und oft ist das Übergewicht sogar ein körperliches Symptom der Depression).

Und natürlich gibt es Übergewichtige, die viel darüber nachdenken und unbedingt abnehmen möchten. Aber viel wichtiger wäre es, endlich mal positive Repräsentation übergewichtiger Charaktere zu bekommen.

Hier also ein paar Anregungen:

  • Übergewichtige Menschen sind auch Menschen wie alle anderen – gebt ihnen also mehr Tiefe. Wir haben die gleichen Sorgen und Ängste, aber auch Freuden, wie alle anderen. Wir haben Jobs, Hobbys, Freund*innen und Beziehungen.
  • Nicht alle übergewichtigen Menschen sind schüchtern und socially awkward! Es gibt diese Personen, natürlich, aber nicht alle sind so!
  • Nicht alle übergewichtigen Menschen sind unsportlich. Ja, jemand, der über 120kg wiegt, geht vielleicht nicht unbedingt joggen, weil das sehr schlecht für die Knie wäre. Aber es gibt für jede Person geeignete Sportarten, z. B. Walking, Radfahren, Yoga, Schwimmen, …
  • Auch dicke Personen haben Partnerschaften und Sex. Und auch dicke Menschen gehören zur LGBTQIA+-Darstellung dazu.
  • Wichtig: Übergewichtige Personen sind keine „lustigen“ Anhängsel. Lasst uns Protagonist*innen sein!
  • Nicht alle übergewichtigen Personen sind Mobbingopfer – aber natürlich kommt strukturelle Diskriminierung und Mobbing vor. Solche Geschichten solltet ihr aber vielleicht besser Own Voice Autor*innen überlassen oder euch zumindest sehr sorgfältig mit Betroffenen austauschen.

Kurz gesagt: Behandelt uns einfach wie alle anderen Protagonist*innen auch. Schreibt dicke Romance Protagonist*innen, Superheld*innen, einfach alles. Dann werden wir irgendwann vielleicht auch mal ein bisschen besser (und überhaupt mehr) repräsentiert, wenn ein paar Leute den Anfang machen.  

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