Genusslesen (vs. Testlesen)

Eins vorweg: Ich rede in den folgenden Absätzen erst einmal vom reinen Lesen (bzw. Filme/Serien anschauen) zum Abschalten, nicht vom Testlesen. Darauf gehe ich noch einmal am Ende explizit ein.

Vor ein paar Tagen ist mir mal wieder aufgefallen, dass ich bei Büchern (und Filmen, etc.) offensichtlich die Angewohnheit habe, einzelne Aspekte, die mich stören, automatisch auszublenden oder regelrecht gedanklich zu überschreiben. Darauf kam ich durch ein Buch, das ich gelesen habe, von dem ich wissen wollte, wie andere es fanden und einige Kritikpunkte genannt bekommen habe. Aufgefallen sind mir beim noch mal darüber Nachdenken die meisten davon und nachvollziehen konnte ich sie alle – aber bei meiner automatischen Bewertung, ob ich Spaß beim Lesen hatte, sind sie kaum ins Gewicht gefallen. Also habe ich erneut darüber nachgedacht, woran das wohl liegt.

Zum einen daran, dass ich bei Büchern (sowie Filmen, etc.) Spaß und Ablenkung haben möchte. Wenn mir nach Berieselnlassen ist, möchte ich das, was mich dann beschäftigt und mir hoffentlich eine schöne Zeit beschert, gar nicht zerdenken, weil das irgendwie stressen und damit den Sinn des Lesens/Schauens kaputt machen würde. Wenn dann also eine Unlogik oder etwas Suboptimales drinnen ist und das nicht ständig krass immer wieder sehr störend in den Fokus gerät, filtere ich das automatisch so ein bisschen raus.

Zum anderen winkt mein Hirn offensichtlich Dinge durch, die nicht schön, aber bedauerlicherweise üblich sind. Wenn ich also eine unangenehme Situation lese, die ich so oder irgendwie ähnlich und/oder mit etwas Bekanntem vergleichbar kenne, denke ich mir ‘urgs, aber ja, leider realistisch’. Wenn ich dann zumindest ein bisschen guten Willen der handelnden Personen selbst darüber nachzudenken und es zu ändern sehe, rutscht das automatisch eher in die Schiene hinnehmbar.

Und was auch hin und wieder ein Punkt ist: Wenn ich mir etwas anschaue und mich darüber warum auch immer aufregen könnte, fange ich an zu überlegen, ob ich überhaupt in der Position dazu bin. Also ob ich es besser könnte. Bei wirklichen Fehltritten greift das nicht, es gibt einfach Dinge, die gar nicht gehen (und die mich trotz der drei Mechanismen auch stören). Aber gerade kleine Plotlöcher, Umsetzungsmethoden oder dergleichen. Wie viele Spieleverfilmungen, Serien oder Filme habe ich denn schon gemacht, um mitreden zu können, dass man etwas GANZ ANDERS hätte machen sollen? Klar unterhalte ich mich auch über solche Dinge, aber ich bin da meist eher gemäßigt, weil ja. Erst mal selbst (besser) machen. (Das erinnert mich nämlich oft so ein bisschen an EM/WM-Zeiten, wo plötzlich halb Deutschland aus Fußballprofis besteht und kommentiert, wie leicht Pass XY doch so und so geschossen hätte werden müssen … Als nicht machende, außenstehende Person ist es halt immer leicht zu kommentieren, ohne welche Grenzen auch immer gerade selbst zu spüren oder zu haben.)

Damit jetzt keine Missverständnisse entstehen: Ich finde gut, dass andere Leute sich das eher zutrauen, (regelmäßig) rezensieren und ich lese auch gerne, wie Sachen, die mir gefallen (oder nicht gefallen) haben, bei anderen angekommen sind und warum. Ich glaube nur, dass mir dieses Rezensieren nicht so richtig liegt. Zumindest nicht, wenn ein gewisser Anspruch an die Rezension gestellt wird. Ich mag es, Reviews und Gesamteindrücke zu hinterlassen, wenn ich z.B. in Geschichtenarchiven etwas lese. Aber möglichst professionelle Rezensionen waren zumindest bisher nicht so wirklich mein Ding.

Beim zu Beginn schon erwähnten Testlesen läuft das anders: Da neige ich dazu, so gut wie alles, was mir beim Lesen durch den Kopf schießt, aufzuschreiben. Und auch einfach Gedanken zu teilen. Denn da möchte die schreibende Person genau solche Eindrücke ja wissen und eben einschätzen können, wie ihr Werk wirkt. Da bin ich dann aber auch im Testlesenmodus und lese zwar auch mit/zur Freude, weil es mir Spaß macht, aber mit zusätzlichem Schwerpunkt – und wenn ich merke, dass ich anfange schneller zu lesen und nicht mehr ausführlich Notizen zu machen (meist, wenn es zu spannend wird ^^), gehe ich wieder zurück und schaue mir die Szenen noch mal an.

Genuss- und Testlesen sind also voneinander abweichende Lesarten. Was nicht heißen soll, dass ich Testlesen weniger schön finde, dann würde ich es ja nicht machen. Es ist für mich aktives, kritischeres Leseverhalten, was mir je nach Laune auch besser gefällt als reines Berieselnlassen. Es kommt also ganz darauf an, wofür ich gerade in Stimmung bin.

Ich bin ganz froh, dass ich das relativ gut voneinander trennen kann. Ich habe mich schon mit Leuten unterhalten, bei denen der Beta-/Testleseblick automatisch und ununterbrochen eingeschaltet ist, was dann auch den Spaß am normalen Lesen ziemlich verdirbt, weil sich kaum ein Buch (bzw. eine Geschichte allgemein, egal über welches Medium) finden lässt, an dem nicht irgendetwas irgendwie auszusetzen ist. Das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor. Also auch, wenn ich mir manchmal selbst denke, ob ich nicht ein bisschen zu wenig kritisch beim Genusslesen bin, möchte ich es auf der anderen Seite gar nicht anders haben, denke ich. Denn das würde bei mir zumindest wohl darauf hinauslaufen, kaum noch Bücher anzupacken und das wäre auch ziemlich schade.

Wie ist das bei euch? Könnt ihr beim schreibunabhängigen Lesen abschalten oder kämpft ihr eher damit, dass euch Fehler/Ungereimtheiten/usw. ins Gesicht springen, ob ihr wollt oder nicht. Und falls Letzteres: War das schon immer so oder hat es sich durch Testlesen/Korrigieren/Lektorieren/… erst so entwickelt?

Lasst uns gerne darüber plaudern. 🙂

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